Alltag mit MG

Myasthenia gravis: Mutmachgeschichten

Die Myasthenia gravis verlangt Betroffenen einiges ab: Neben Einschränkungen der Lebensqualität sind sie auch organisatorisch gefordert. Oft sind Familie, Beruf und die Erkrankung unter einen Hut zu bringen – und nicht zuletzt müssen Menschen mit Myasthenia gravis mit viel Beharrlichkeit und Zeitaufwand darum kämpfen, die Sozialleistungen, die ihnen zustehen, auch zu erhalten. argenx hat deshalb im Rahmen einer Online-Veranstaltung mit dem Titel „Myasthenie – gut zu wissen“ Experten aus Medizin und Sozialrecht sowie Patientinnen zu Wort kommen lassen. Die beiden Betroffenen Kristin und A.C. haben ihre Erfolgsrezepte mit uns geteilt.

Eigeninitiative zahlt sich aus – bereits vor der Diagnose

Auch wenn sich der Krankheitsverlauf der beiden Frauen von Anfang an stark unterschied, machten doch beide die gleiche Erfahrung: Bereits auf dem Weg zur richtigen Diagnose ist oft jede Menge Eigeninitiative erforderlich. Die gelernte Ergotherapeutin Kristin, die nunmehr als Controllerin in einem Krankenhaus tätig ist, leidet bereits seit ihrer Kindheit an Myasthenia gravis: „Die Myasthenie habe ich eigentlich schon immer. Bis sie aber einen Namen hatte, dauerte es, bis ich 15 war.“ Obwohl sie als Kind immer wieder gestürzt war, ihr oft Gegenstände aus den Händen gefallen waren und ihre Augen „komisch“ aussahen, wurde angenommen, sie bilde sich ihre Beschwerden ein – und auch eine Essstörung stand im Raum. Bis zum „erlösenden“ Tag, als Kristin 15 Jahre alt war: Nachdem sie während einer Schulpause drei Etagen hoch ins Klassenzimmer laufen musste, fiel sie einfach um. „Mein Papa hat einen medizinischen Hintergrund und gesagt, er habe einen Verdacht, wir fahren jetzt mal zum Neurologen. Nach einer Woche kam dann endlich die richtige Diagnose.“ Auch bei Erzieherin A.C. begann die Erkrankung eher schleichend mit verschwommenem Sehen, Ungeschicklichkeit und Stolpern. Dass ein ernstes gesundheitliches Problem vorliegt, wurde ihr jedoch sehr abrupt klar: „Ich habe auf dem Weg zur Arbeit im Auto gemerkt, irgendetwas stimmt mit meinem Gesicht nicht. Meine Kollegen fragten mich dann, ob ich möglicherweise einen Schlaganfall habe, weil meine Gesichtshälfte hing.“ Der Hausarzt konnte dann einen Schlaganfall ausschließen, die Ursache der Muskelschwäche wurde jedoch erstmal nicht gefunden. Auch bei einem Neurologen machte sie keine guten Erfahrungen. „Deshalb kann ich jedem raten, wenn man sich mit seinem Neurologen nicht wohlfühlt und das Gefühl hat, man wird nur als psychosomatisch abgestempelt, den Arzt zu wechseln.“ Bei A.C. zahlte sich ein Wechsel zu einem anderen Neurologen aus. Zwar war auch er, nachdem die Lähmung kam und ging, ohne dass sich eine der zahlreichen Verdachtsdiagnosen erhärtet hatte, mit seinem Latein irgendwann am Ende, aber nachdem A.C. auf Facebook las, dass eine Gesichtslähmung bei Myasthenia gravis kommen und gehen kann, verwies er sie an eine Spezialistin, die schließlich die richtige Diagnose stellte.

Was tun nach der Diagnose?

Die Diagnose empfanden Kristin und A.C. erstmal erleichternd. „Ich habe geweint vor Freude, endlich hatte das Monster einen Namen, während alle um mich herum geweint haben und besorgt und traurig waren“, so Kristin. Die damals Jugendliche war vor allem froh, sich nicht mehr für etwas entschuldigen zu müssen, wofür sie nichts konnte. Auch A.C. freute sich erstmal über die nunmehrige Klarheit: „Endlich hatte das Kind einen Namen. Die Hoffnung war, wenn man weiß, was es ist, kann man es behandeln. Nun konnte ich mich darüber schlau machen, was das bedeutet, andere Betroffene suchen und Erfahrungen austauschen.“ Auch mit ihrem Umfeld hatten beide Glück: „Ich hatte einen tollen Freundeskreis, der mich nie anders kannte. Wenn ich dann nicht mehr laufen konnte, wurde ich auf einen Gepäckträger gesetzt und nachhause gefahren“, so A.C.. Auf die Frage, wie sie die Herausforderung, die Erkrankung mit ihrer Familie und ihrem Beruf in Einklang zu bringen, gemeistert hat, antwortete Kristin: „Mit meiner Familie, sehr viel Humor und sehr viel Willen. Und ich habe versucht, mir ein gutes Netzwerk zu bauen.“ Auf die Frage nach Tipps für Betroffene antwortete A.C.: „Man kann Hilfe von den Krankenkassen und Behandlern bekommen. Ganz wichtig sind aber auch Menschen, die einen unterstützen, sei es, indem sie Besorgungen erledigen oder einem helfen, Anträge und Formulare auszufüllen.“

Therapie der Myasthenia gravis – was können Betroffene selbst beitragen?

Für PD Dr. med. Marc Pawlitzki, Oberarzt für Neurologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, ist ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis eine wichtige Basis für die Behandlung der Myasthenie: „Zu Beginn geht es erst einmal darum, zu klären, welche Erwartungen Betroffene haben und welche therapeutischen Möglichkeiten bestehen. Ehrlichkeit ist dabei besonders wichtig: Wenn beispielsweise eine Patientin oder ein Patient etwas nicht verstanden hat oder meine Behandlungsempfehlung nicht umgesetzt hat, muss ich das wissen. Es bringt nichts, zu sagen, ein Medikament hat nicht gewirkt, wenn es vielleicht gar nicht eingenommen wurde.“

Myasthenia gravis: Wie komme ich zu meinem Recht

Nicole Scherhag, Sozialpädagogin und Supervisorin, gab in ihrem Vortrag wertvolle Tipps zu den Rechten bei Myasthenia gravis – und dazu, wie Betroffene sie auch durchsetzen können. Wichtig ist dabei vor allem: „Verlassen Sie sich nicht ungeprüft auf Informationen von Ämtern, Behörden und Krankenkassen. Informieren Sie sich selbst und kämpfen Sie um Ihre Rechte.“ So stehen in allen großen Städten Sozialberatungsstellen zur Verfügung, auch Bürgertelefone der gesetzlichen Krankenkassen sowie Pflegestützpunkte seien bei sozialrechtlichen Fragestellungen häufig eine große Hilfe. Bei Fragen rund um die Rente können zudem ehrenamtliche Versicherten-Älteste wertvolle Unterstützung bieten. Darüber hinaus gab sie den Teilnehmer:innen den Rat: „Nutzen Sie bei negativen Rückmeldungen unbedingt ihre Widerspruchsmöglichkeiten, sehr häufig haben Betroffene damit Erfolg.“ Ausreichend sei dabei erstmal die Angabe von Datum und Aktenzeichen, eine ausführliche Begründung könne nachgereicht werden.

Für umfassende soziale Beratung:

  • Kliniksozialdienst
  • Allgemeine Sozialberatungsstellen der Kirchen und Wohlfahrtsverbände
  • Sozialverbände VdK oder SoVD
  • Selbsthilfe

Informationen zu gesetzlichen Krankenkassen:

Gesetzliche Pflegeversicherung:

  • Pflegestützpunkte
  • Bürgertelefon Pflegeversicherung (Tel: 030/340 606 602)
  • Seniorenberatungsstellen

Informationen zu privaten Krankenversicherungen:

  • Unabhängige Patientenberatung (Tel: 0800/011 77 22)

Informationen zu privaten Pflegeversicherungen:

  • Compass Pflegeberatung (Tel: 0800/101 88 00)

Informationen zur Rehabilitation

  • Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) (www.teilhabeberatung.de
  • Arbeitskreis Gesundheit für stationäre Rehas (Tel: 0800/100 63 50
  • Sozialdienst der jeweiligen Wunschklinik

Informationen zu Schwerbehinderung:

  • Bürgertelefon zum Thema Behinderung (Tel: 030/211 911 006)
  • Sozialverbände VdK oder SoVD

Informationen zu Berufstätigkeit

  • Integrationsamt & Integrationsfachdienste (auch Inklusionsamt genannt)
  • Gewerkschaften
  • Betriebsrat
  • Schwerbehindertenvertretung

Rente

  • Rentenberatungsstellen der Deutschen Rentenversicherung
  • Bürgertelefon Rente (Tel: 030/211 911 001)
  • Sozialverbände VdK oder SoVD

Weitere hilfreiche Webseiten

DE-UNB-24-00016